Weiblichen Führungskräften ist in Non-Profit-Organisationen immer noch eine gleichberechtigte gestalterische Wirkung verwehrt. Dieser Beitrag liefert dazu eine zahlenbasierte Bestandsaufnahme, erläutert wesentliche Gründe und illustriert dies anhand eigener empirischer Befunde. Besonders Wert wird abschließend auf den aktiven Aufbruch zur Erlangung einer Geschlechtergerechtigkeit gelegt, durchaus im eigenen Interesse von NPO.

Jürgen Weibler

Eine bedenkliche Bestandsaufnahme

In der Theaterwelt von Shakespeare gab es keine Frauen. Zumindest keine Frauen, die Frauen spielten. Dort waren es verkleidete Männer. So war die Julia, die 1597 die Bühne für die Ewigkeit betrat, natürlich ein verkleideter Mann. Auch damals schon waren fast alle entscheidenden Positionen männlich besetzt. Bekanntlich handelt es sich bei diesem Stück um eine Tragödie und manche mögen die heutige Geschlechterverteilung im Topmanagement als eine ebensolche empfinden. „Frausein“ ist für den Aufstieg ins Topmanagement jenseits der akzeptierten Staffage nämlich eine Risikokategorie (1). Gut, dass es da noch den Dritten Sektor gibt, so die Hoffnung, der sich (frei)gemeinnützigen Aufgaben verschrieben hat. Wenigstens dort darf doch mit Zuversicht erwartet werden, dass die Befreiung vom Gewinnerzielungspostulat, das so oft, wenn auch vielfach fälschlich, zur Rechtfertigung von Missständen herangezogen wird, den Blick auf das ethisch Gebotene mit größerer Klarheit richtet.

Die Idee der gleichberechtigten Teilhabe von weiblichen Führungskräften an gestalterischer Wirkung ist zwar natürlich, aber bislang in NPO nicht realisiert. Auffällig ist nämlich, dass die von Männern gemachten Spielregeln von beiden Geschlechtern auch dort weitgehend eingehalten werden. In der beachtenswerten Online-Studie von Franziska Paul und Andrea Walter wurden einmal die Top-NPO ausdrücklich unter die Lupe genommen (2):

„Darunter fielen beispielsweise die Wohlfahrtsverbände und großen Sozialverbände, die zehn größten gemeinnützigen Stiftungen privates Rechts nach Kapital, die zehn mitgliederstärksten Sportverbände (nach Statistischem Bundesamt), die mitgliederstärksten Umweltverbände (nach Stephan et al., 2014), sowie Organisationen aus den Bereichen Interessenvertretung (darunter u. a. Wirtschaft und Kultur) sowie internationale Aktivitäten. Insgesamt ist somit eine TOP 40 an exponierten NPOs im Sample enthalten.“

Die Ergebnisse sind ernüchternd:

„Die Größe und Bedeutung dieser TOP-NPOs zeigt sich im Grad ihrer Professionalisierung: Sie haben deutlich häufiger hauptamtliche Vorstände (40 %) im Vergleich zu den anderen befragten Organisationen (9 %) und auch eher hauptamtliche Geschäftsführungen (61 % gegenüber 40 %). Dies scheint sich auf die Frauenanteile auszuwirken: Frauen sind in Vorständen und Geschäftsführungen seltener vertreten. Bei den Big Players sind durchschnittlich 31,3 % Frauen vertreten, im Vergleich zu einem Frauenanteil von 39,4 % bei den anderen Organisationen. Etwas weniger groß ist der Unterschied bei den Frauenanteilen in den Geschäftsführungen, die bei den Top-Organisationen durchschnittlich zu 38,8 % von Frauen besetzt werden (im Vergleich zu 43,3 %). Ebenso haben die Big Player häufiger Kontroll- und Beratungsgremien (68 % gegenüber 54 %). Besonders häufig sind Präsidien: Über die Hälfte der TOP-Organisationen haben ein Präsidium (58 %). Der Frauenanteil liegt hier bei 28 %.“

Sind Frauen in Führungspositionen, verdienen sie unter sonst gleichen Bedingungen rund 6 Prozent weniger, wobei die Lohndiskriminierung im Dritten Sektor dort, wo es sich um Wirtschaftsverbände handelt, nach einer Studie von Markus Gmür am größten ist (3). Erfahrungsgemäß sind die Differenzen im oberen Kader, überträgt man die Ergebnisse aus der Wirtschaft, vermutlich sogar am höchsten (4). Seine Befürchtung ist, dass sich personalpolitische Praktiken der Privatwirtschaft im Dritten Sektor insbesondere dort manifestieren, wo die Nähe zur Privatwirtschaft gegeben und die kritische Distanz begrenzt ist. Dies wird offensichtlich auch durch das Personalkarussell zwischen den beiden Bereichen befördert. Diese Überlegung bedeutet aber auch, dass mit einer zunehmenden Ökonomisierung des Dritten Sektors vergleichbare Praktiken dort weitflächiger Einzug halten werden, wird dem nichts bewusst entgegengesetzt.
Ändert sich also nichts, bleibt die Macht von Frauen in NPO, also an einer weiteren Schlüsselstelle der Gesellschaft, begrenzt. Wir werden nun zeigen, warum und wie Frauen so oft auf die hinteren Plätze verwiesen werden.

Warum Frauen in NPO ­benachteiligt werden

Die Männerdominanz bei der Besetzung der wichtigsten Führungspositionen ist kein Zufallsprodukt. Frauen wird, das zeigen die meisten Studien und meine Beobachtungen medialer Führungsdarstellungen, offensichtlich in einem geringeren Ausmaß als Männern eine Führungsfähigkeit zugeschrieben. Die Zuschreibung dieser Befähigung zur Führung ist aber entscheidend, um tatsächlich eine Führungsposition einzunehmen (5).
Die Feststellung einer Befähigung zur Führung ist als ein Zuschreibungsprozess zu verstehen. Dieser erfolgt auf Basis einer impliziten Führungstheorie und sagt etwas darüber aus, welche Merkmale und Verhaltensweisen vorhanden sein sollten oder auftreten müssten, um eine Person als Führer bzw. Führerin wahrzunehmen. Auch definiert sie die Ausschlusskriterien gleich mit. Es geht dabei nicht darum, ob die betreffende Person diese Merkmale oder Verhaltensweisen tatsächlich (messbar) besitzt bzw. zeigt, sondern ob sie dieser Person von anderen zugedacht bzw. zuerkannt werden. Werden Personen den impliziten Führungstheorien besonders gerecht, werden auch besonders positive Folgen für den zukünftigen Erfolg dieser Person in einer Führungsposition erwartet. Diese Einstufung verläuft normalerweise automatisiert und formt sich zu einer dann manifesten Einschätzung.

Der Clou ist aber nun, dass eine einzige Informationskategorie alles überlagern kann. Das Geschlecht ist eine solche hervorstechende Informationskategorie in der Führung. Sie läuft im Gegensatz zu anderen, deren relative Bedeutung des Öfteren wechselt, recht beständig mit. Wie viele Studien ausweisen, wird ausgerechnet diese Informationskategorie bei weiblicher Ausprägung wesentlich schwächer mit Führungsfähigkeit verbunden als beim männlichen Pendant. Folge: Während der Mann schon bei Auswahlentscheiden für Führungspositionen für die Startaufstellung kraft Mannsein gesetzt ist, muss sich die Frau erst einmal (über die Ersatzbank) ins Spiel bringen.

Dieser Prozess ist extrem stabil. Er ist die Folge eines subtilen Geflechts an kulturell und historisch verankerten, oftmals verzerrten mentalen Modellen, die auf eine komplexe, schwer steuerbare Weise verhaltenswirksam werden. „Think leadership – Think male“ trifft es hier sehr gut. Die konkret mit Führung verbundenen Anforderungen drücken sich gängigerweise in Erscheinungsbildern, Eigenschaften, Motiven oder direkt in erwarteten Verhaltensweisen aus, die stereotyperweise Männern zugeschrieben werden. Im Kern zeigen umfassende empirische Ergebnisse durchgängig, dass die Frage nach dem, was einen idealen Manager auszeichnet, vor allem durch die Nennung männlicher Items beantwortet wird (z. B. analytisch, energisch, risikofreudig). Stereotype weibliche Eigenschaften tauchen hingegen nennenswert nur in Kombination mit den männlichen auf, dann aber immer noch in einem deutlich geringeren Prozentsatz als in der männlichen Zuordnung. Rein weibliche Eigenschaften bilden regelmäßig den Schlusspunkt.

KOPFKINO RAHMT DAS REALE SET

Die noch währende Aktualität zeigt anschaulich die Studie von Block und Crawford (2013). Danach konnten relativ berufsunerfahrene männliche wie weibliche Studierende sehr treffende Angaben dazu machen, wie berufserfahrene männliche Manager Frauen und Männer anhand von 14 Führungskategorien nachfolgend tatsächlich einstuften. Das bedeutet im Kern: Vorstellungen zur Geeignetheit von Frauen und Männern gründen zu Beginn nicht auf eigenen Erfahrungen in der Organisation, sondern werden vielmehr vorgefertigt in die Organisation hineingetragen. Dort ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich durch eine begünstigende selektive Wahrnehmung noch bestärken, höher, als dass sie korrigiert werden.

Das Kopfkino rahmt das reale Set, bevor es überhaupt betreten wird. Dieses Faktum ist in Führungsforschung hinreichend klar dokumentiert. Der Männlichkeitsmythos von Führung wird damit zur realen Anschauung, Auswahl und Bewertung (6).

Gibt es aber schlagende Gründe für die Entstehung der Assoziation, dass nur dem Mann zugeschriebene Fähigkeiten zur Ausübung von Führungspositionen taugen? Die Forschung verneint dies und verweist auf die Wirkung von Geschlechtsstereotypen, die trotz nicht nachweisbarer Unterschiede über viele Studien hinweg hartnäckig durch Narrationen und Praktiken weitergegeben werden. So herausgebildete Geschlechterstereotype verstärken sich dann unentwegt, natürlich inzwischen durchaus mit Rissen und Brüchen (7).

Und warum ist diese Wechselwirkung so beständig? Neben der sozialen Tatsache, dass fest verankerte Bilder, die u. a. Gewohnheiten des Sehens, Verstehens und Erklärens herausbilden, schwer zu ändern sind, gibt es eine recht simple machttheoretische Erklärung: Faktische Eliten, ob selbst ernannt oder nicht, geben freiwillig nur ausnahmsweise ihre Privilegien ab. Vielmehr ist es so, dass formale wie informelle Machtstrukturen permanent reproduziert werden, um die Ressourcenzufuhr (Anerkennung, Geld, Partnerdominanz) zu sichern. Das muss man nicht beschließen, sondern ergibt sich auf fast natürlichem Weg. Die machterhaltende Identifikation mit dem eigenen männlichen Geschlecht kann dann so weit gehen, dass besser ausgebildeten Frauen von Männern eine geringere Expertise zuerkannt wird als schlechter ausgebildeten Frauen (8).

Der Kampf um Anerkennung

Die bisherigen Überlegungen zeigen, dass weibliche Führungskräfte oft als defizitäre Führungskräfte wahrgenommen werden, die über entscheidende, erfolgsrelevante Fähigkeiten und Möglichkeiten nicht im selben Maße verfügen wie Männer.

In einer eigenen Studie habe ich Frauen in Führungspositionen nach ihren Wahrnehmungen zu einer erlebten Diskriminierung befragt. Ihre Antworten werde ich nachfolgend ausgewählt skizzieren. Dadurch werden die von mir zur Erklärung herangezogenen Geschlechterstereotype in handlungspraktische Ausprägungen evident überführt:

Leistungserwartungen sind höher

Als Folge stehen Frauen auf einem besonderen Prüfstand und bei (Be-)Förderungsentscheidungen meist nicht im Fokus. Weibliche Führungskräfte haben hierbei häufig das Gefühl, deutlich mehr leisten zu müssen als ihre männlichen Kollegen. Doch nicht nur die geforderte Quantität macht den diskriminierenden Unterschied.
„Ich fühlte mich dort jedes Mal wie in einer Prüfung. Die Situation wirkte eindeutig so, als wollte er meine fachliche Qualifikation abprüfen. Mir ist von keinem meiner männlichen Vorgänger bekannt, dass sie so etwas erlebt hatten. Bei ihnen nahm man die Kompetenz als gegeben an, bei mir nicht – trotz langjähriger Berufserfahrung in genau diesem Themenfeld. Mich hat das enorm irritiert und verunsichert.“

Beförderungen verlaufen langsamer

Ein immer währendes Ärgernis ist die Blockierung oder zumindest die Nichtunterstützung der eigenen Entwicklung in der Organisation:

„[…] Du musst dich immer erst lautstark bemerkbar machen, damit man dich – und deine Zuständigkeiten – berücksichtigt. Gleiches gilt natürlich auch für das berufliche Fortkommen bzw. die Beförderung.“

Die Bezahlung ist schlechter

Frauen in unserer Studie empfinden immer noch eine Ungerechtigkeit in der Entlohnung. Und sie haben auch statistisch recht, wie wir bereits auswiesen:

„Da ich […] Einblick in diverse Unterlagen auch bezüglich der Gehälter habe, habe ich meinen Vorgesetzten darauf angesprochen, warum ein männlicher Kollege, der weder als Gruppenleiter noch als Vorgesetzter tätig war, mehr Gehalt bezieht als ich. Er entgegnete mir, dass er auch nichts dafür könne, dass ich eine Frau bin. Als Mann würde ich selbstverständlich mehr verdienen …“

Geradezu grotesk ist in diesem Zusammenhang die nachfolgend abgegebene Erklärung eines Vorgesetzten:

„Sie verstehen doch wohl, dass wir Ihr Gehalt nicht vergleichbar anheben können, Ihr Mann ist doch der Hauptverdiener.“

Das Potenzial kann sich nicht gleichermaßen entwickeln

Männer sichern ihre Macht u. a. durch Zusammenschlüsse („ingroups“), deren Zutritt für die minderheitsdeterminierte Außenseiterposition der Frau überflüssig oder schier unmöglich erscheint. Weibliche Führungskräfte werden aber auch ganz einfach in Meetings ignoriert bzw. durch kurzfristige Terminverlegung ohne Bekanntgabe ausgeschlossen, bei freizeitbezogenen Aktivitäten auf Dienstreisen nicht eingeladen oder gänzlich nicht beachtet.

„[…] während der Sitzungen lässt man sich als männlicher Teilnehmer eher von einem rangniedrigen Mann belehren als von einer ranghöheren Frau.“ „Wenn es also um Diskussionen im Führungsteam ging, wurden meine Redebeiträge nur dann wirklich ernst genommen, wenn es rein fachliche Inhalte waren, zu denen die anderen Kollegen nicht das Detailwissen hatten.“

„[…] ich habe meine Argumente immer mehrfach in einem Redebeitrag wiederholt, um dadurch insgesamt länger zu sprechen und auch die Kollegen mit abzuholen, die erst nicht zuhörten, wenn ich sprach. Zusätzlich war ich immer sehr gut im Detail vorbereitet, sodass Fachfragen von mir immer noch mit ergänzenden Details beantwortet werden konnten.“

„[…] Allerdings half das nicht, wenn es um allgemeine Themen, wie zum Beispiel um das Führungsverständnis oder das Konfliktmanagement, ging. Hier gab es dann auf meine Argumente oft den Kommentar: ‚Ach du schon wieder mit deiner weiblichen Komponente.‘“

Ebenso haben Frauen keinen Zugang zu den sog. „Old Boys’ Clubs“, wie die Literatur die homogenen Netzwerke bezeichnet.

„Ich empfinde es als Diskriminierung, wenn sich die männlichen Kollegen zum Beispiel nach einer Sitzung oder nach einer Veranstaltung zusammenhorten, auf die Schulter klopfen, markige Sprüche austauschen und beim Kaffee über Themen unterhalten, die mich total langweilen und über die ich auch nichts sagen kann, beispielsweise Fußball. Manchmal werde ich als Frau auch nicht zu bestimmten Vorbesprechungen eingeladen, was nicht mit ‚nicht leiden können‘ zu tun hat, sondern mit ‚wir klären das mal noch unter uns‘ oder ‚haben wir ja schon vordiskutiert‘.“

Aktiver Aufbruch zur Geschlechtergerechtigkeit in NPO ist Führungsgebot

Derartige Diskriminierungen verlaufen über subtile Mechanismen und sind den beteiligten Männern jenseits gezielter Machtpolitik oftmals gar nicht (voll) bewusst. Deshalb ist Aufmerksamkeit für diese sozialen Praktiken zu schaffen. Besonderes Augenmerk sollte daher nicht zuletzt den ganz alltäglichen und „harmlosen“ Vorfällen sowie dem Kommunikations- und Interaktionsgebaren gewidmet werden. Oftmals wirken sie auf den ersten Blick frauenfreundlich, transportieren aber verdeckt Geschlechterstereotype („benevolent sexism“). Beispielsweise mögen sich männliche Führungskräfte gut fühlen, wenn sie Frauen „schonen“ und ohne Rücksprache entsprechend handeln (z. B. einer jungen Mutter nicht mehr zumuten wollen, dass sie Dienstreisen zu wichtigen Kundentreffen absolviert). Frauen müssen sich hier genauso zur Wehr setzen wie im Falle allgemeiner geschlechterspezifischer Stereotypisierungen und männlich dominierter verzerrter Denkweisen, es sei denn, dass im Einzelfall Ungleiches legitimerweise ungleich behandelt werden muss.

Hinzu kommen offensive und vor allem verdeckte Formen der Diskriminierung. Diese entstehen als quasinatürliche Folge aus den Geschlechterstereotypen, sind aber von Strategien schieren Machterhalts begleitet. Ist das Spielfeld so weitgehend bereinigt, wird untereinander um Positionen gekämpft, nicht minder hart. Dies alles spielt sich in Organisationen ab, deren Strukturen (Arbeitsprozesse, Laufbahnbedingungen, Arbeitszeiten, infrastrukturelle Unterstützungssysteme) und Kulturen mehrheitlich die langfristige Verantwortungsübernahme von Frauen in Toppositionen erschweren oder verhindern. Hier ist es nicht an den Frauen, sich anzupassen, sondern alternative Lebens- und Arbeitsformen als Selbstverständlichkeit einzufordern.

Gefährlich wird es aber auch, wenn weibliche Führungskräfte nun aufgrund ihrer stereotyp zugeschriebenen Eigenschaften und aufgrund veränderter organisationaler Anforderungen (Stichwort: Netzwerkorganisation, partielle Enthierarchisierung) als besonders interessante kommende Führungskräfte gesehen werden. Nicht nur, dass dadurch bestehende Stereotype verfestigt werden, sondern es wird auch der Blick von der bestehenden Diskriminierung gewendet und das Erreichen zukünftiger Führungspositionen als doch eher einfach deklariert. Wer da nicht, so die leicht auftretende Überlegung, tatsächlich Erfolg hat, wird den Vorwurf des Selbstverschuldens kaum noch los. Dadurch wird eine weitere Legitimation des Bestehenden geschaffen, ohne sich der Mühe einer tiefergehenden Analyse zu unterziehen.

Diese Abwertungsspirale kann auch leicht bei der durchaus zu begrüßenden Verbesserung des Arbeitskontextes durch z. B. Work-Life-Balance-Programme eintreten. Diese unterschätzte Gefahr besteht immer dann, wenn Programme explizit nur für Frauen ausgesprochen werden. Schnell werden so Frauen durch speziell angebotene und möglicherweise nicht erbetene Coaching-, Mentoring- und Seminarangebote („Wie finde ich mich in der Berufswelt der Männer zurecht?“) stigmatisiert. Frausein wird dadurch als Problem bei der Übernahme von Führung noch herausgestellt und damit wird die „Sondersituation“ weiter in den Köpfen zementiert (Stichwort: Diversitätsfalle).

WAS ZU TUN IST

Non-Profit-Organisationen können die gegenwärtigen Missstände aber durchaus zum Anlass nehmen, eine Wende einzuleiten. Sie sollten sich an ihre zivilstaatliche Verantwortung erinnern und an oberster Stelle gesamtgesellschaftliche und rechtlich verankerte Vorstellungen repräsentieren. Bis jetzt haben sie einfach Glück gehabt, dass sich die geschlechterbezogene Moralisierungsdiskussion vorzugsweise auf Wirtschaftsunternehmen bezog. Die Heterogenität und Intransparenz dieses Sektors trägt natürlich dazu bei. Sollte die zunehmende Ökonomisierung des Dritten Sektors tatsächlich auch dazu führen, weibliche Führungskräfte faktisch noch weiter zu diskriminieren, dürfte es mit der Schonfrist vorbei sein.

Und sie sollten sich daran erinnern, dass die tragende Säule, das engagierte Personal, altert und Nachwuchsprobleme zwangsweise auftauchen. Niemand sollte sich da der Illusion hingeben, dass die bildungspolitisch und in Gleichberechtigungsfragen aufgeklärte Generation Z, die sich in den nächsten Jahren verstärkt für die Nachwuchsarbeit eignet, sich in traditionelle Rollenbilder pressen lassen wird. Meine persönlichen und durch Studien gestützten Erfahrungen lassen dies gerade für die besonders gesuchten Kandidatinnen, die ihre eigene Identität nicht in der dankbaren Folgsamkeit von Männernormen und damit in führungsbezogener Zweitklassigkeit finden, als vollkommen absurd erscheinen.


JÜRGEN WEIBLER ist ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalführung und Organisation, an der FernUniversität in Hagen. Aktuell beschäftigt er sich u. a. mit alternativen Organisations- und Führungsformen. Neben anderem Verfasser des Standardwerks „Personalführung” (2016, 3. A.). Fundiertes wie aktuelles Führungswissen stellt er auf der Internet-Plattform Leadership Insiders (www.leadership-insiders.de) zur Verfügung.

Juergen.Weibler@fernuni-hagen.de


Quellen:

  1. Vgl. Weibler, J. (2016a). Frauen als Fremdkörper im Management? Eine schonungslose Analyse der Führungssituation von Frauen und eine machtvolle Empfehlung. Hemer: Leadership Insiders Publishing.
  2. Paul, F. & Walter, A. (2016). Besser geht’s nicht? Geschlechterverhältnisse in Führungs-, Kontroll- und Beratungsgremien in Nonprofit-Organisationen in Deutschland. Ergebnisse einer Online-Befragung. Zentrum für Europäische Geschlechterstudien (ZEUGS) – Working Paper No. 9, S.1-25.
  3. Vgl. Gmür, M. (2009). Werden Frauen und Männer in NPO gleich bezahlt? Verbands-Management, 35(1), S. 50-59.
  4. Vgl. Weibler, 2016a; Strub, S., Gerfin, M., & Bütikofer, A. (2008). Vergleichende Analysen der Löhne von Frauen und Männern anhand der Lohnstrukturerhebung 1998 bis 2006. Untersuchung im Rahmen der Evaluation des Gleichstellungsgesetzes. Schlussbericht, Bern.
  5. Vgl. im Folgenden angelehnt an Weibler, 2016a und zu den Theorien selbst Weibler, J. (2016b). Personalführung (3. Auflage). München: Vahlen.
  6. Vgl. dazu Weibler, J. (2013). Entzauberung der Führungsmythen. München: ROMAN HERZOG INSTITUT e. V.; Weibler 2016b
  7. Siehe dazu z. B. Chrisler, J. C. & McCreary, D. R. (Hrsg.) (2010). Handbook of Gender Research in Psychology, New York: Springer; Eagly, A. H. & Johnson, B. T. (1990). Gender and leadership style: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 108(2), S. 233-256; Kelan, E. (2006). ‘Zur (De)Konstruktion von Geschlecht in neuerer Managementliteratur’. In: Bendl, R. (ed.), Betriebswirtschaftslehre und Frauen- und Geschlechterforschung. Vol. 1: Verortung geschlechterkonstituierender (Re-)Produktionsprozesse (S. 143-165). Wien: Peter Lang Verlag; Bendl, R. (2008). Gender Subtexts – Reproduction of Exclusion in Organizational Discourse. British Journal of Management, 19(1), S. 50-64.; Eberherr, H. & Hanappi-Egger, E. (2015). Routinierte Vergeschlechtlichung: Zur (Re-)Produktion von Geschlechtstypisierungen und impliziten Rollenerwartungen im Management. Managementforschung, 25, S. 115-137.
  8. Joshi, A. (2014). By whom and when is women’s expertise recognized? The interactive effects of gender and education in science and engineering teams. Administrative Science Quarterly, 59(2), S. 202-239.

Dieser Fachartikel erschien unter dem gleichen Titel zuerst in der Ausgabe 1/2017 der VM Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management, herausgegeben vom Institut für Verbandsmanagement der Universität Freiburg/CH.

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