Wichtige Voraussetzung für die Gewinnung und Bindung von ­Führungs- und Fachkräften

Die Fragestellung, welche Vergütung „attraktiv“ bzw. marktgerecht ist, stellt nach wie vor viele Verbände und Organisationen vor große Herausforderungen. Zwar ermöglichen Gespräche mit Bewerbern sowie informelle Kontakte zu Vertretern anderer Verbände die Gewinnung punktueller Informationen über die Vergütungsniveaus. Über eine vollständige und homogene Übersicht zur Vergütungssituation in Verbänden und Organisationen verfügen dagegen nur die wenigsten. Vor diesem Hintergrund wurde bereits zum dritten Mal die Kienbaum Vergütungsstudie in Kooperation mit der DGVM e. V. durchgeführt. Hier ein Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse.

Tom Feldkamp

Die Bedeutung von Verbänden und Organisationen im gesellschaftlichen Entwicklungsprozess hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Die Aufgaben sind dabei sehr vielfältig: Verbände und Organisationen vertreten die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber der Politik, Behörden, den Medien und auch gegenüber anderen Wirtschaftsbeteiligten. Zum Teil agieren sie auch als Regelsetzer bzw. begleiten politische Prozesse auf nationaler und europäischer Ebene. Angesichts der Diversität dieser Aufgaben und der immer komplexer werdenden Prozesse und Entwicklungen zur Durchsetzung der einschlägigen Verbandsinteressen bedarf es hoch qualifizierter und -engagierter Führungs- und Fachkräfte.

Der in der Wirtschaft zunehmend diskutierte Begriff der „purpose economy“ und die daraus resultierende intrinsische Motivation der Mitarbeiter, einer positiven gesellschaftlichen Sache zu dienen, gelten für Führungs- und Fachkräfte in Verbänden und Organisationen in besonderem Maße. Auf der anderen Seite bedingen aber immer weiter steigende Mietkosten speziell in den Ballungszentren und die abnehmende Versorgungssicherheit für das Alter, dass für die Gewinnung und Bindung qualifizierter Führungs- und Fachkräfte – neben einer sinnstiftenden Arbeitsperspektive – auch eine hinreichend attraktive Vergütung bzw. ein attraktives Vergütungspaket gewährt werden muss.

Ein maßgeblicher Orientierungspunkt für die Bestimmung einer angemessenen und marktgerechten Vergütung ist und bleibt die Entgeltpolitik in vergleichbaren Organisationen.

Mangelnde Marktkenntnis kann Gewinnung und Bindung erschweren

Neben der Ermöglichung einer sinnstiftenden Tätigkeit ist die Offerte einer angemessenen und marktgerechten Vergütung somit ein zentraler Bestandteil zeitgemäßer Personalarbeit in Verbänden und Organisationen. Fehlendes Markt-Know-how kann durchaus länger wirkende negative Konsequenzen für die Besetzung vakanter Stellen bzw. für die längerfristige Bindung qualifizierter Führungs- und Fachkräfte zur Folge haben.

Für Verbandsorganisationen gleicht die Beschäftigung mit der Vergütung ihrer Führungs- und Fachkräfte zudem einem Spagat: Auf der einen Seite müssen die Vergütungen aus Bindungsaspekten hinreichend attraktiv sein, auf der anderen Seite stehen die Organisationen gegenüber ihren Mitgliedern unter Rechtfertigungsdruck, keine vermeintlich zu hohen Vergütungen zu gewähren. Dies gilt natürlich in besonderem Maße für Verbände und Organisationen, die nicht nach festen tariflichen Strukturen vergüten.

Neben der Verfügbarkeit von zuverlässigen Marktinformationen bereitet zudem die Heterogenität in Größe, Struktur und inhaltlicher Ausrichtung der Verbandsorganisationen Schwierigkeiten bei der korrekten Einschätzung der Marktüblichkeit und Angemessenheit von Vergütungen.

Es gibt für Personalverantwortliche in Verbänden und Organisationen somit eine Reihe von Anlässen, sich mit dem Thema Marktüblichkeit der Vergütung zu beschäftigen: Zum einen gibt es fallbezogene Bedarfe an Vergütungsinformationen, z. B. aufgrund verstärkter Nachfrage am Markt sind bestimmte Mitarbeitergruppen schwer zu gewinnen und zu binden oder es werden neue Stellen oder Organisationsbereiche geschaffen.

Zum anderen gibt es auch regelmäßige Bedarfe, z. B. zur Überprüfung der Wettbewerbsfähigkeit von Vergütungssystem und -höhe, zur turnusmäßigen Anpassung von Gehaltsbändern oder zur Vorbereitung von anstehenden Budget- und Gehaltsrunden sowie Mitarbeitergesprächen.

Kienbaum Vergütungsstudie schafft Transparenz

Vor diesem Hintergrund und angesichts des großen Erfolgs der beiden ersten Vergütungsreports in den Jahren 2015 und 2017 haben die DGVM e. V. und Kienbaum diese Vergütungsuntersuchung 2019 zum dritten Mal in Kooperation durchgeführt.

Dem aktuellen Ergebnisbericht aus dem September 2019 liegen die Informationen aus 50 Verbänden zu 62 verschiedenen Positionen mit insgesamt 2.486 Positionsnennungen zugrunde. Dies ermöglicht einen tiefen Einblick in die Vergütungswelt der unterschiedlichen Organisationen. Ähnlich wie in Wirtschaftsunternehmen werden Höhe und Struktur der Gehälter in Verbandsbetrieben durch eine Vielzahl von Einflussgrößen geprägt. Diese Faktoren überlagern einander und je nachdem, in welche Richtung sie wirken, verstärken oder verringern sie ihre Wirksamkeit.

Größe des Verbandes hat Einfluss auf die Höhe der ­Vergütung

Ein grundsätzlich maßgebliches Kriterium für die Höhe der Vergütung ist die Größe des Verbandes. Allerdings ist der Einfluss dieses Kriteriums geringer ausgeprägt als in privatwirtschaftlichen Unternehmen. Betrachtet man die monetäre Gesamtvergütung im Kontext mit den Beschäftigtengrößenklassen, zeigt sich, dass die Vergütungsdifferenzierungen speziell auf der Ebene der Geschäftsführer eher gering ausfallen. Ein wesentlicher Grund hierfür dürfte sein, dass die Führungsstrukturen in Verbänden gegenüber privatwirtschaftlichen Unternehmen vergleichsweise flach sind.
Bei Leitungsfunktionen und speziell bei Referenten ist der Einfluss der Anzahl der Beschäftigten auf die Höhe der Gesamtvergütung dagegen etwas ausgeprägter, wohingegen auf der Ebene der Sachbearbeiter/Assistenten die Verbandsgröße kein entscheidendes Differenzierungsmerkmal darstellt.

Auch die Art des Verbandes hat Einfluss auf die Vergütungshöhe: So liegen die Vergütungen in den Verbänden für Gesellschaft und Politik sowie Bildung und Wissenschaft in der Gesamtschau für die einzelnen Positionen am höchsten. Die Gehälter, die in den Arbeits- und Wirtschaftsverbänden gezahlt werden, liegen dagegen im Mittelfeld. In den Verbänden für Gesundheit, Soziales und Wohlfahrt werden die vergleichsweise niedrigsten Gehälter bezahlt.

Die führende Position, die Verbände aus den Bereichen Gesellschaft und Politik sowie Bildung und Wissenschaft im Vergütungsranking einnehmen, zeigt auch, dass die gesamtgesellschaftliche Bedeutung dieser Verbandstypen in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Dementsprechend besteht auch ein erhöhter Bedarf an qualifizierten Führungs- und Fachkräften.

Spürbares Vergütungsgefälle auf den Leitungsebenen gegenüber Privat­wirtschaft

Um im Konkurrenzkampf um qualifizierte Fach- und Führungskräfte wettbewerbsfähig zu sein, ist aber nicht nur der Binnenvergleich der Verbände untereinander, sondern auch das Verhältnis der Vergütung im Vergleich zur Privatwirtschaft von Relevanz.

Diesbezüglich besteht auf den Leitungsebenen ein signifikantes Vergütungsgefälle zur Privatwirtschaft: So liegen die monetären Gesamtbezüge von Verbandsgeschäftsführern im Median um rund 37 Prozent unter den Bezügen von Geschäftsführern in mittelständischen Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern.

Bei den nachgeordneten Leitungskräften ist der Abstand mit einem Delta von rund 22 Prozent gegenüber der Privatwirtschaft ebenfalls noch sehr stark ausgeprägt.

Auch auf der Ebene der Referenten ist die Differenz bei der Gesamtvergütung gegenüber vergleichbaren Fachkräften in der Privatwirtschaft mit 10 Prozent noch spürbar.

Lediglich auf der Ebene der Sachbearbeiter sind die Gehälter in Verbänden im Vergleich zum privatwirtschaftlichen Mittelstand durchaus wettbewerbsfähig, wenn auch hier immerhin ein Delta von rund 6 Prozent gegeben ist.

Variable Vergütung in ­Verbänden seltener als in Privatwirtschaft

Ein Grund für das Vergütungsgefälle auf den Leitungsebenen gegenüber der Privatwirtschaft ist, dass die Verbreitung und die Höhe variabler Vergütungen noch deutlich niedriger ausgeprägt sind als in der Privatwirtschaft. Während etwas mehr als ein Drittel der Geschäftsführer und gut die Hälfte der Leitungskräfte in Verbänden einen grundsätzlichen Anspruch auf eine variable Vergütung haben, liegt der Verbreitungsgrad mit 95 Prozent (Geschäftsführer) bzw. 85 Prozent (Leitungskräfte) in der Privatwirtschaft signifikant höher.

Auch auf den Ebenen der Referenten und Sachbearbeiter sind die Unterschiede im Verbreitungsgrad deutlich, wie die unten stehende Abbildung zeigt.

Aber nicht nur in der Verbreitung gibt es eindeutige Unterschiede, sondern auch in der Höhe bzw. im Anteil der variablen Vergütung an den monetären Gesamtbezügen. Bei Geschäftsführern und Leitungskräften in Verbänden ist der Anteil der variablen Vergütung in etwa nur halb so groß wie bei vergleichbaren Positionsinhabern in der Privatwirtschaft. Auch auf Referenten- und Sachbearbeiterebene sind die Unterschiede noch deutlich.

In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass die variable Vergütung bei Geschäftsführern in der Privatwirtschaft mit 85.000 Euro im Median rund viermal höher ist als bei ihren Kollegen in Verbänden (= 21.000 Euro). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Leitungskräften: Während eine Leitungskraft in der Privatwirtschaft 17.000 Euro variable Vergütung im Jahr erhält, muss sich ein Leiter in Verbänden mit 5.000 Euro begnügen. Weniger signifikant sind die Unterschiede bei den Referenten (5.000 Euro in der Privatwirtschaft vs. 3.000 Euro in Verbänden) und auch auf Sachbearbeiter-Ebene (2.000 Euro in der Privatwirtschaft vs. 1.000 Euro in Verbänden).

Ganz offenbar sind die zuständigen Gremien in Verbänden bei der Gewährung variabler Vergütungen für die Führungs- und Fachkräfte deutlich zurückhaltender als in der Privatwirtschaft. Unserer Erfahrung nach ist einer der Gründe hierfür die – im Gegensatz zur Privatwirtschaft – in Verbänden als schwieriger empfundene Findung geeigneter Bemessungsgrößen. Gleichwohl zeigt unsere Beratungserfahrung, dass sich durchaus im Einklang mit dem Verbandszweck stehende Zielgrößen für eine variable Vergütung finden und implementieren lassen.

Zusatzleistungen sind ein wichtiger Bestandteil des Gesamtvergütungspakets

Neben dem Gehalt bilden betriebliche Zusatzleistungen einen wichtigen Faktor in den jeweiligen Vergütungssystemen. Derartige Zusatzleistungen bedeuten teilweise einen erheblichen Zusatznutzen für die Mitarbeiter.

Nach Gewicht und Verbreitung handelt es sich bei der betrieblichen Altersversorgung um die wichtigste Zusatzleistung. Insbesondere für Geschäftsführer und Leitungskräfte ist sie von Bedeutung, da ihre gesetzliche Sozialversicherungsrente in der Regel nicht ausreicht, um ihnen im Ruhestand den gewohnten Lebensstandard zu sichern. Zwei Drittel der Geschäftsführer, 87 Prozent der Leiter, 77 Prozent der Referenten und 78 Prozent der Sachbearbeiter/Assistenten besitzen eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung. Dementsprechend wird der betrieblichen Altersversorgung auch eine nicht unerhebliche Bedeutung für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern beigemessen: Drei Viertel der befragten Verbände messen der betrieblichen Altersversorgung in diesem Zusammenhang eine immerhin mittelgroße Bedeutung zu, 20 Prozent der Verbände sogar eine hohe.

Gleichwohl steht die betriebliche Altersversorgung unter Druck: Die anhaltende Niedrigzinsphase führt dazu, dass die in der Vergangenheit in der Verbreitung dominierenden rückstellungsfinanzierten Leistungszusagen an Bedeutung immer weiter verlieren. Mittlerweile verfügen rund drei Viertel der in der Untersuchung insgesamt erfassten Positionsinhaber über eine beitragsorientierte Versorgungsvariante. Bei diesen zumeist ausfinanzierten Modellen ist das Finanzierungs- bzw. Zinsrisiko auf einen externen Provider ausgelagert. Die Kehrseite der Medaille ist, dass aufgrund niedriger Garantiezinsen (sofern solche überhaupt noch gewährt werden) und Überschussbeteiligungen in der Regel für die Begünstigten ein deutlich geringeres Versorgungskapital als bei den früheren Leistungszusagen zur Verfügung steht. Allerdings handelt es sich hierbei um kein verbandstypisches Phänomen, da auch in der Privatwirtschaft mittlerweile beitragsorientierte Versorgungssysteme dominieren.

Vor dem Hintergrund des demografiebedingt immer größer werdenden Fachkräftemangels gewinnen – neben den klassischen Zusatzleistungen wie der betrieblichen Altersversorgung – zunehmend auch Angebote zur Steigerung der Work-Life Balance an Bedeutung. Von den befragten Verbänden wird die Bedeutung solcher Benefits für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern allerdings – im Gegensatz zur betrieblichen Altersversorgung – noch nicht sehr hoch eingeschätzt: Insgesamt 60 Prozent der Organisationen sehen in diesem Kontext eher eine niedrige Bedeutung.

Dabei könnten die Verbände insoweit offensiver im Personalmarketing vorgehen, als die bestehenden Angebote durchaus respektabel sind: So besteht bei immerhin rund einem Drittel der befragten Organisationen die Möglichkeit, eine längere Auszeit zu nehmen, und insgesamt 62 Prozent der betrachteten Verbände bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, von zu Hause aus und damit flexibel zu arbeiten („Homeoffice/Telearbeit“). Angebote zur flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort sind familienfreundlich und daher u. a. auch zur Gewinnung und Bindung Alleinerziehender von großem Interesse.

Frauen sind in Führungs- und Referentenfunktionen ­unterrepräsentiert

Durch Angebote zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung könnten zukünftig auch verstärkt Frauen für Führungspositionen gewonnen werden. Derzeit liegt ihr Anteil in den untersuchten Verbandsorganisationen auf Geschäftsführungsebene nur bei 18 Prozent. Auf der Leitungs- und Referentenebene sind sie zu 31 Prozent bzw. 46 Prozent vertreten. Lediglich bei den Sachbearbeitern/Assistenten stellen die Frauen mit einem Anteil von 83 Prozent deutlich die Mehrheit der Mitarbeiter.

Bei einem Gesamtanteil von rund 60 Prozent an den erfassten Positionsinhabern in den befragten Verbänden sind Frauen damit in den Führungsfunktionen eindeutig unterrepräsentiert.

Frauen verdienen weniger als ihre männlichen Kollegen

Auch hinsichtlich der Höhe der Vergütung besteht – speziell auf den Führungsebenen – ein Gefälle zwischen den Geschlechtern: So verdienen Frauen auf der Ebene der Geschäftsführung rund ein Fünftel weniger als ihre männlichen Kollegen. Bei den Leiterinnen liegt die Vergütung um 10 Prozent und bei den Referentinnen sogar um 26 Prozent niedriger als bei ihren jeweiligen männlichen Kollegen. Auf der Ebene der Sachbearbeiterinnen/Assistentinnen liegen die Bezüge um 12 Prozent niedriger als bei den männlichen Kollegen.

Auch wenn bei der Bewertung dieser Zahlen noch andere Faktoren wie die Größe oder die Art des jeweiligen Verbandes zu berücksichtigen sind, so lässt sich ein durchaus signifikantes Vergütungsgefälle nicht leugnen.

Resümee

In Verbänden werden durchaus attraktive Vergütungen gezahlt. Gleichwohl besteht gegenüber mittelständischen Unternehmen in der Privatwirtschaft – speziell auf der Ebene der Geschäftsführer und Leitungskräfte – ein nicht unerhebliches Gefälle. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die deutlich geringere Verbreitung und Höhe variabler Vergütungskomponenten. Punkten können die Verbände im Ringen um qualifizierte Führungs- und Fachkräfte mit ihren durchaus konkurrenzfähigen Zusatzleistungen, insbesondere auch bezogen auf Work-Life-­Balance sowie Angebote zur flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit und -ort.


Wer hat Zugang zu den detaillierten Ergebnissen der Untersuchung?

Die gesamten Ergebnisse sind exklusiv für Teilnehmer zugänglich, d. h., eine Teilnahme am Vergütungsvergleich mit eigener Datenlieferung ist erforderlich, um Zugriff auf die Marktdaten zu erhalten. Eine Teilnahme ist permanent möglich. Bei Fragen hierzu wenden Sie sich bitte an:

tom.feldkamp@kienbaum.de

Veröffentlicht in Blog