Schlaue Verbände und Organisationen machen sich seit geraumer Zeit fit für Bewerber. Früher war es umgekehrt. Doch in Zeiten des Fachkräftemangels und „War for Talents“ dreht sich der Spieß um 180 Grad. Wer sich nicht den neuen Zeiten anpasst, gerät schnell ins Hintertreffen und kann allenfalls durchschnittliche Mitarbeiter rekrutieren. Aber wie macht sich ein Verband attraktiv für den engagierten Nachwuchs? Eine Herausforderung.
Es sind nicht nur die Verbände und Organisationen, die um Talente und kompetente Mitarbeiter buhlen. Das Gerangel um die 25- bis 40-Jährigen ist voll entbrannt. Auch die Wirtschafts- und Industrieunternehmen kämpfen um die besten Kräfte für die eigene unternehmerische Zukunft. So arbeitet die Schwarz-Gruppe, der größte Handelskonzern Europas, intensiv mit der Universität Heilbronn zusammen, um sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Talente von morgen zu sichern. Die Idee, sich die Studenten direkt von der Uni zu holen, gab es in Mangel-Berufen wie der Ingenieurbranche oder der Elektronik-Informationstechnik-Branche seit jeher. Nun ist der Kampf um die Besten in fast allen Branchen entbrannt.
So spricht die deutsche Lufthansa Studenten, die Pflicht-Praktika im Laufe des Studiums absolvieren, gezielt an und angelt sich den überdurchschnittlichen 6-Monats-Praktikanten. Da heißt es im „Praktikums-Zeugnis“: „Wir würden uns freuen, wenn Sie sich nach dem Studium bei uns bewerben würden.“ So oder so ähnlich machen es inzwischen alle Unternehmen, die sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten wollen. Schon lange ist dieses Phänomen in der digitalen Branche Realität. Brillante Programmierer oder auch Algorithmen-Exzellenzen sind etwa in der Handelsbranche Mangelware. Sie werden rasend schnell vom Markt gefischt.
Doch dieser Kampf beschränkt sich nicht nur auf neue, junge Talente und Nachwuchs-Kollegen. Auch die derzeit aktiven Mitarbeiter werden von Wettbewerbern umworben, via Personalberater und Headhunter gejagt und mit lukrativen Angeboten zum Wechsel motiviert. Nicht nur die Rekrutierung, die Personalsuche, muss ein Unternehmen, einen Verband und eine Organisation umtreiben. Auch die Mitarbeiter-Bindung ist zu einer bedeutenden und mittel- wie langfristigen Herausforderung geworden.
Attraktivität als Arbeitgeber entscheidend
Bei dieser Aufgabe spielt die Attraktivität des Arbeitgebers eine vorherrschende Rolle. Denn: Der zukünftige Erfolg des Verbands – möglicherweise sogar die Existenz – hängt nicht zuletzt davon ab, wie attraktiv die Position, die Arbeit und Aufgabe sowie das Arbeitsumfeld und die Karrieremöglichkeiten sind. Zukünftig könnte es öfter heißen: Der Bewerber hat die Wahl; der Verband als Arbeitgeber eher selten.
In einer Arbeitswelt, die zunehmend komplexer wird, sind die individuellen Leistungen der Mitarbeiter für den nachhaltigen Verbandserfolg ausschlaggebend. Auch die wachsenden Anforderungen von Mitgliedsunternehmen sowie die gestiegenen Ansprüche des Ehrenamtes stellen die Verbände vor eine besondere Herausforderung. Dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist eine der entscheidenden Zukunftsaufgaben der Verbands-Verantwortlichen. Die Frage lautet: Ist mein Verband ein attraktiver Arbeitgeber und wie stelle ich mich als Verband für die Zukunft auf?
Das Spektrum reicht von finanziellen Anreizen und Vergünstigungen über eine herausfordernde Tätigkeit, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, überdurchschnittliche Karrierechancen bis hin zu einer von Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein geprägten Führungs- und Unternehmenskultur. Doch bevor Sie diese Fragen ansteuern, lohnt sich ein Blick ins Herz, ins Innere Ihres Verbands. Es gibt ein Sprichwort, das heißt: Wahre Schönheit kommt von innen.
Generation Y mit neuen Ansprüchen
Schauen wir uns den Verband durch die Brille des potenziellen Arbeitnehmers an. Die Erwartungen der Arbeitnehmer an ihren idealen Arbeitgeber sind vielfältig. Natürlich spielt die Vergütung eine wichtige Rolle. Aber was einst das Nonplusultra war, ist es heute längst nicht mehr. Insbesondere die Generation Y, also Menschen, die ungefähr zwischen 1980 und 1999 geboren wurden, verfolgen andere als die tradierten Lebens- und Berufsziele. Das Streben nach Status und materiellem Erfolg tritt zurück. Stattdessen rücken Sinnsuche, Selbstverwirklichung und Spaß an der Arbeit in den Vordergrund. Sie haben in aller Regel eine selbstbewusste, optimistische Lebenseinstellung und nutzen wie selbstverständlich die sozialen Medien als Kommunikationsmittel. Die Trennung von online und offline verschwimmt.
Der Arbeitnehmer hat zweifellos Wünsche, die er mittlerweile als (An-)Forderung formuliert. Wie selbstverständlich will er Karriere machen, eine herausfordernde Tätigkeit und seinen Arbeitsplatz eigenständig gestalten. Altertümliches Hierarchie-Denken ist ihm völlig fremd und wird als absolut kontraproduktiv eingeschätzt. Stattdessen wird ein kollegiales Miteinander erwartet, das an den Zielen gemeinsam arbeitet. Ein Wirgefühl weicht dem ichbetonten Verständnis. Besonders wichtig erscheint den neuen Kollegen eine ausgewogene Work-Life-Balance, die auch einer Familie gerecht wird.
All diese Erwartungen ergeben ein Anforderungsprofil des Bewerbers. Es gilt die Attraktivitätsmerkmale wie eine Schablone über den Verband zu legen und abzuklopfen, was angeboten werden kann und was tatsächlich angeboten wird. Und natürlich lautet die Frage: Sind die Merkmale kompatibel mit der Struktur der Organisation?
Transparente Werte formulieren und leben
Ist die Passgenauigkeit nicht gegeben, muss eine alternative Employer-Branding-Strategie entwickelt werden. Eine Verbandsstruktur, die die bestehende Belegschaft bindet und neue Talente anlockt.
Dabei spielen Werte eine besondere Rolle. Welche Werte existieren innerhalb der Organisation? Welche Werte werden gelebt und wie? Die formulierten Werte dürfen hierbei nicht nur Floskeln sein. Sie sollten mit den Mitarbeitern im operativen Alltag gelebt, dokumentiert und beispielsweise auch auf der Homepage veröffentlicht sein. Viele Firmen, aber auch Verbände publizieren ihre Mission Statements. Der Sinn gemeinsamer und transparenter Grundsätze ist, dass alle auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter sich mit diesen Werten identifizieren. Das gilt gleichermaßen für Bewerber. Sie werden nur interessiert sein, wenn sie der Verbandskultur zustimmen und die Leitbilder mit ihren Vorstellungen vereinbaren können.
Wertschätzung, Vertrauen, Offenheit für Ideen sind wichtige interne Werte. Qualität, Mitgliederorientierung und Innovationen richten sich eher an die Mitglieder. In der Summe wirken sich die Werte positiv auf die Mitarbeiterbindung, aber auch auf das Employer Branding aus. Denn es spricht sich herum, wie man intern respektive extern mit Mitarbeitern und Mitgliedern umgeht. Werte bilden das Fundament der Kultur des Verbands und spiegeln die geltenden internen Regelungen, Einstellungen, Gewohnheiten und selbstredend die Werte dar. Sie wirken wie ein Leuchtturm und bieten Orientierung.
Gutes Image wird immer wichtiger
Hohe Arbeitgeberattraktivität wirkt direkt auf das Verbandsergebnis, die Kultur sowie Motivation respektive Stimmung und Wertschaffung. Denn die Attraktivität senkt nicht nur die Rekrutierungskosten und die Rate der ungewollten Fluktuation. Die Verbundenheit und Kontinuität der Mitarbeiter zeigt sich zudem in gesteigerter Leistungsbereitschaft und erhöht die Performance des Verbands – auch gegenüber den Mitgliedern – nachhaltig.
Wer seine Arbeitgeberattraktivität steigern möchte oder auch gegenüber Wettbewerbern unique Verbandsbesonderheiten herausheben will, tut gut daran, sich auf diese unverwechselbaren und möglicherweise nicht zu imitierenden erfolgreichen Kerneigenschaften als Arbeitgeber zu konzentrieren und diese auch im Personalmarketing hervorzuheben.
Das können verbandsuntypische Besonderheiten sein, die Sie durch eine Analyse der internen Perspektive herausbekommen, sprich durch eine Mitarbeiterumfrage. Eine Außensicht erhalten Sie durch Meinungen von Stakeholdern, Medienberichte, Meinungs- und auch Mitarbeiter- sowie Bewertungsportale.
Kurzum, die Bedeutung des Arbeitgeberimages in der Personalabteilung sowie in der Verbandsgeschäftsführung nimmt zu. Dieses positive Image werblich wie pr-kräftig zu unterstützen und zu kommunizieren, kann zukünftig Sinn machen. Griffige und verständliche Botschaften und die eigene Arbeitgebermarke sollten kontinuierlich angesprochen und vermittelt werden.
Mit mindestens einem Auge sollten Sie in jedem Falle die einzigartige Position, den Aufgabenbereich und das Leitbild Ihres Verbands beachten und dramatisieren. Dennoch seien hier fünf Erfolgsfaktoren attraktiver Arbeitgeber genannt, die Beachtung verdienen.
Unverwechselbare Verbandskultur in Ihrem eigenen Haus. Nehmen Sie Ihre Mitarbeiter jederzeit ernst. Achten Sie bereits in frühen Bewerbungsgesprächen darauf, dass die Bewerber zu Werten und Kultur des Verbands passen und diese auch fortführen. Das erreichen Sie, indem alle Mitarbeiter in die interne Kommunikation involviert sind, High Potentials innerhalb des Verbands identifiziert und zu Führungskräften aufgebaut werden. Verbandsinternes Vorschlags- und Innovationswesen unterstützt die offene Kommunikation.
Vorgelebte Leitlinien und Orientierung durch engagiertes Management. Gute Verbandsgeschäftsführer haben erkannt, dass Mitarbeiter ein wesentlicher Schlüssel zum nachhaltigen, kontinuierlichen Erfolg sind. Vermitteln Sie ihnen dieses Gefühl, das wichtigste Kapital des Verbands oder der Organisation zu sein. Schaffen Sie ein Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen, der gesamten Geschäftsführung, Bereichsleitern und allen Mitarbeitern. Nicht top-down, sondern bottom-up könnte eine Strategie sein – insbesondere, wenn es um Zielsetzungen geht, bei denen die Mitarbeiter eine wichtige Rolle einnehmen.
Moderne Human-Ressource-Strategien. Gute Arbeitgeber fördern Mitarbeiter durch attraktive Weiterbildungsmöglichkeiten und Programme, die zukunftsorientiert auf den Verband ausgerichtet sind und für beide – Verband und Mitarbeiter – eine Win-win-Situation darstellen.
Entwicklung engagierter Mitarbeiter zu verantwortlichen Führungsaufgaben. Das Sichten von Talenten ist eine lohnende Management-Aufgabe. Damit einher geht, Mitarbeitern die Möglichkeit zu schaffen und zu bieten, sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln. Hilfreich ist die Implementierung von Prozessen, um diese Talente entdecken, sichten, zu Spitzenkräften entwickeln und an den Verband binden zu können.
Mitarbeiter ernst nehmen durch Übertragung von Verantwortung. Es entsteht eine besondere Verbandskultur, indem einzelnen Mitarbeitern – egal in welchen Positionen sie arbeiten – eigenverantwortliches Handeln ermöglicht und übertragen wird. Das i-Tüpfelchen ist das Anerkennen ihrer guten Leistungen.